Landwirtschaft kann nicht dauerhaft von Subventionen leben
Zu den von der Bundesregierung angekündigten Subventionskürzungen in der Landwirtschaft und den Protesten dagegen erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Joe Weingarten:
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Joe Weingarten ruft zu mehr Sachlichkeit in der Diskussion um die von der Bundesregierung angekündigten Subventionskürzungen in der Landwirtschaft auf: „Die bäuerlichen Betriebe können nicht dauerhaft und unbeschränkt mit Steuernachlässen und öffentlichen Förderungen am Leben gehalten werden. Sie brauchen angemessene Preise für ihre Produkte, um arbeiten zu können,“ erklärt der SPD-Abgeordnete angesichts der Kritik an den geplanten Steuerkürzungen.
Weingarten weist darauf hin, dass es sich bei den jetzt diskutierten Streichungen der Diesel-Verbilligung und der Steuerfreiheit für einzelne Fahrzeuge nur um einen Teil der öffentlichen Unterstützung für die Landwirtschaft handelt: „Wir reden jetzt über rund eine Milliarde Euro an Kürzungen. Die gesamten öffentlichen Zahlungen an die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland belaufen sich nach Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums aber auf rund 7 Milliarden Euro“. Das Problem sei, dass ein großer Teil dieser Subventionen gar nicht die mittelständischen bäuerlichen Betriebe, etwa im Naheland erreiche, sondern überwiegend der Agrarindustrie im Norden und Osten Deutschlands zu Gute komme: „In den letzten Jahrzehnten, vor allem in der Regierungszeit Angela Merkels und ihrer CDU-Landwirtschaftsminister, stand die Agrarindustrie mit ihren riesigen Flächen, der Massentierhaltung und der Billigproduktion im Vordergrund der Politik. Großindustrie und Lebensmittelkonzerne wurden gehätschelt, während ein Viertel der bäuerlichen Betriebe in der gleichen Zeit aufgeben musste.“ Dass Unions-Vertreter, die massiv für dieses Höfesterben verantwortlich waren, sich jetzt als Unterstützer der Landwirtschaft darstellten, sei „schon ein hohes Maß an Heuchelei“ betont der Wahlkreisabgeordnete für das Naheland.
Weingarten sieht, dass die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen gerade mittelständische Betriebe in Probleme bringen können: „Die geplanten Einsparungen könnten für solche Betrieb zwischen 1.000 und 6.000 Euro pro Jahr ausmachen, das ist viel Geld.“ Deswegen setzt er sich in Berlin für eine Umsatz- oder Flächengrenze der Betriebe ein, bis zu der weiterhin Diesel verbilligt und die Kfz-Steuer erlassen werden soll. „Dann würden nur die Großbetriebe mehr zahlen, für die kleinen Betriebe könnte es bleiben, wie es ist.“
Dass die landwirtschaftliche Großindustrie vom Steuerzahler nicht weiter im bisherigen Maß gefördert wird, findet der SPD-Parlamentarier gerecht: „Gerade dort sind in den letzten beiden Jahren erhebliche Gewinne gemacht worden.“ Generell könne die Landwirtschaftsförderung aber so nicht weitergehen: „Zwischen 40 und 60 Prozent der Unternehmenseinkünfte der Bauern kommen aus öffentlichen Kassen.“ Weingarten spricht sich dafür aus, die Förderung der Massentierhaltung und der intensiven Flächenausnutzung aufzugeben. „Wir müssen die Landwirtschaft weiter fördern, aber nur dort, wo sie schonend mit der Natur und den Tieren umgeht und ihren Beitrag zu gesunden Lebensmitteln leistet.“ Und die Politik müsse darauf drängen, dass die großen Lebensmittelkonzerne und die Discounter nicht weiter riesige Umsätze und Gewinne mit landwirtschaftlichen Produkten machten, ohne dass die Landwirtschaft dafür gerecht entlohnt wird. „Wenn die Betriebe faire Preise bekommen, dann brauchen sie auch keine Subventionen im bisherigen Umfang.“
Weingarten unterstützt die Landwirtschaft in ihrem Recht auf Protest gegen die Pläne der Bundesregierung: „Das Recht zu demonstrieren ist ein hohes Gut, auch wenn ich in Berlin eher mit der Stirn runzele, wenn rund um das Brandenburger Tor drei Dutzend 400.000-Euro-Traktoren aus dem Berliner Umland auffahren, um gegen bäuerliche Not zu demonstrieren.“ Der SPD-Abgeordnete ruft die Landwirtschaftsverbände zudem dazu auf, sich genau anzusehen, wer sich die angekündigten Demonstrationen Anfang Januar für seine ganz eigenen Ziele zunutze machen wolle: „Ich sehe mit Sorge, dass sich die üblichen AfD-Sympathisanten, Corona-Schwurbler und Umsturz-Spinner an die Proteste dranhängen wollen. Die Bauern sollten klar sagen, dass sie nicht in dieses Umfeld gehören, sonst wird der Dialog mit der Politik noch schwerer,“ spricht sich Weingarten für Besonnenheit bei den angekündigten Protesten aus.