Liebe Genossinnen und Genossen,
ich schreibe Euch am Ende einer Doppelsitzungswoche des Deutschen Bundestags, die für mich auch durch verteidigungspolitische Reisen unterbrochen war, aber dazu später mehr.
Eine der zentralsten Entscheidungen dieser Woche hat der Bundeskanzler getroffen. Die drei verbleibenden Atomkraftwerke werden bis Mitte April 2023 in Betrieb bleiben. Das ist die richtige Entscheidung mit Blick auf die Energiesicherheit in unserem Land. Das ändert weder an der offenen Entsorgungsfrage, noch an dem beschlossenen Atomausstieg grundsätzlich etwas. Nur in der jetzigen schwierigen Lage sollten die Kraftwerke so lange weiterlaufen, wie in der jetzigen Situation ihr Strom benötigt wird. Das ist für mich eine technische Frage, die der Kanzler für die Regierung nun richtig entschieden hat. Gleiches gilt für die bis 2024 weiter laufenden Kohlekraftwerke. Umweltpolitisch ist das schwierig, ohne Frage, aber wir müssen die Versorgungssicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen sichern.
Heute haben wir im Deutschen Bundestag zudem den 200-Milliarden-Euro-Schutzschirm beschlossen. Das ist eines der größten Hilfspakete, das eine Bundesregierung je aufgelegt hat. Wir schützen damit nicht nur die Bürgerinnen und Bürger vor den Belastungen der Energiekrise, wir legen damit auch den Grundstein dafür, dass der Industriestandort Deutschland gesichert wird. Nach diesem Beschluss geht es in die konkrete Ausgestaltung der Hilfsprogramme, die mit den 200 Milliarden finanziert werden. Ich werde mich im Zuge dessen dafür einsetzen, dass inbesonders auch unsere kleinen mittelständischen Betriebe und das Handwerk angemessen berücksichtigt werden. Außerdem ist mir wichtig, dass Besitzerinnen und Besitzer von Öl- und Pelletheizungen, die auch mit großen Preissteigerungen konfrontiert sind, entlastet werden. Dafür setze ich mich in Berlin ein.
Darüber hinaus haben wir uns in diesen Wochen mit einer Reihe weiterer Maßnahmen befasst, die Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger schaffen sollen. Um Menschen mit geringem Einkommen von den gestiegenen Energiekosten zu entlasten, weiten wir den Kreis der Berechtigten deutlich aus und erhöhen das Wohngeld. Außerdem haben wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der die Auszahlung eines zweiten Heizkostenzuschusses vorsieht, beraten. Die Wohngeldreform ist Teil des dritten Entlastungspakets. Rund 1,4 Millionen Haushalte sollen durch die Reform erstmals oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten. Damit erreicht das Wohngeld ab 2023 insgesamt rund zwei Millionen Haushalte statt wie bislang ca. 600.000.
Der Wohngeldbetrag soll sich 2023 mit der Reform voraussichtlich um durchschnittlich rund 190 Euro pro Monat erhöhen und steigt damit von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat auf rund 370 Euro pro Monat – das ist eine Verdoppelung des bisherigen Betrags. Zusätzlich soll eine dauerhafte Heizkostenkomponente die steigenden Heizkosten dämpfen.
Angesichts der steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten ist im dritten Entlastungspaket nun auch eine Einmalzahlung für Rentnerinnen und Rentner sowie Pensionärinnen und Pensionäre vorgesehen. Die Pauschale beträgt 300 Euro. Die Auszahlung erfolgt automatisch durch die Rentenzahlstellen und die Versorgungsbezüge zahlenden Stellen voraussichtlich am 15. Dezember. Wir schließen damit eine Gerechtigkeitslücke, die wir beim ersten Energiebonus geschaffen haben und entlasten auch Rentnerinnen und Rentner mit kleiner Rente ordentlich, da der Bonus nicht auf Sozialleistungen angerechnet wird.
Auch hinsichtlich unserer internationalen Verantwortung haben wir in dieser Woche wieder einen wichtige Beschluss gefasst: Wir setzen unser Engagement im Irak fort. Die seit 2015 andauernde Präsenz Deutschlands und seiner internationalen Partner ist in der Region weiterhin gefragt. Die irakische Regierung sowie die kurdische Regionalregierung haben die fortgesetzte militärische Unterstützung durch die internationalen Partner konkret erbeten. Wir wollen an die Fortschritte der letzten Jahre anknüpfen und Irak dabei unterstützen, ein Wiedererstarken des Islamischen Staates (IS) in der Region zu verhindern und einen Beitrag für mehr Versöhnung im Land zu leisten. Trotz der Zerschlagung ihres selbsternannten „Kalifats“ 2019 stellt der IS nach wie vor eine ernsthafte Bedrohung für Irak und die umliegende Region dar. Begünstigt durch den andauernden Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien ist die Terror-Organisation weiterhin in der Lage, entlegene Gebiete in der Region zu kontrollieren und Anschläge in der Region, aber auch darüber hinaus zu verüben. Deshalb haben wir diese Woche auf Antrag der Bundesregierung beschlossen, das Bundeswehr-mandat zur Bekämpfung des IS-Terrors und zur Stabilisierung des Irak fortzusetzen. Das Mandat umfasst ausschließlich Irak als Einsatzgebiet und wird im Mandatszeitraum umfassend überprüft.
Deutschland wird sich auch weiterhin beim Aufbau der regulären irakischen Streitkräfte beteiligen. Zudem stellt die Bundeswehr auch in Zukunft Stabspersonal und Fähigkeiten zur Luftbetankung und zur bodengebundenen Luftraumüberwachung bereit. Das Mandat umfasst weiterhin eine Obergrenze von 500 Soldatinnen und Soldaten.
Wie eingangs bereits angedeutet, möchte ich Euch auch noch kurz von meinen Reisen als Verteidigungspolitiker berichten: Am vorletzten Wochenende war ich gemeinsam mit unserer Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zu einem Truppenbesuch in Litauen. Anlass war die Indienststellung des Führungsstabs der Deutschen Brigade. Deutschland soll dort eine Kampftruppen-Brigade von 3.000 – 5.000 Soldatinnen und Soldaten führen. Wie gut die Zusammenarbeit klappt, haben wir eindrucksvoll bei einer gemeinsamen Übung deutscher und litauischer Soldaten sehen können. Gleichzeitig kann ich bei solcher Gelegenheit viele Gespräche mit Soldatinnen und Soldaten führen und erfahre ganz direkt, wo es Probleme gibt, z.B. bei der Versorgung oder dem Postverkehr in die Heimat, die ich dann im Verteidigungsministerium anspreche.
Am Montag danach hat der gesamte Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags bei der Luftwaffe in Nörvenich getagt. Dabei konnten wir in beeindruckender Weise ein Abfangmanöver von Luftwaffen-Eurofightern über Köln begleiten, ein wichtiger Bestandteil der Sicherung des deutschen Luftraums.
Einen Teil dieser Woche habe ich bei einer NATO-Tagung in Helsinki verbracht. Zentrales Thema dabei der NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens. Allein Finnland bringt knapp 210.000 Soldatinnen und Soldaten in die NATO ein, das ist mehr als die gesamte Bundeswehr und eine massive Stärkung unseres Bündnisses. Dazu die größte Artillerie Westeuropas und im nächsten Jahrzehnt 64 neue F-35-Jagdbomber. Im Rahmen der Tagung konnte ich auch mit dem finnischen Staatspräsidenten Sauli Niiniströ sprechen. Erfreulich zu sehen, dass wir uns einig sind in unserer klaren Verurteilung des russischen Aggressors und unserer gemeinsamen Verantwortung, unsere Gesellschaften energieunabhängig zu machen. Und, dass spürbar ist, welch hohes Ansehen und Zutrauen Deutschland in Finnland und vielen anderen Teilen der Welt genießt. Das sollten wir uns viel öfter vor Augen führen, finde ich.
Zum Abschluss möchte ich an dieser Stelle noch etwas zu der manchmal gestellten Frage „Was die Ampel noch zusammenhält“ sagen: Aus meiner Sicht sehr viel! Wir sind drei unterschiedliche Parteien mit differenzierten Schwerpunkten. Grüne und SPD mehr auf dem linken Flügel, die FDP in der Mitte bis hin ins konservative Spektrum. Da gibt es Unterschiede: in energiepolitischen Fragen, bei der Form der militärischen Unterstützung der Ukraine oder ähnliches. Ich sehe das, aber ich kann aus meiner täglichen Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen von FDP und Grünen nur sagen: menschlich und fachlich funktioniert das. Manchmal auch streitig, aber der wechselseitige Respekt und der Wille zur Zusammenarbeit ist deutlich höher, als ich das der Talkshow- und Twitter-Welt entnehmen kann.
Wir haben als Koalitionäre einen gemeinsamen Grundkonsens: Dieses Land muss nach 16 Jahren, in denen es anständig, aber oft perspektivlos verwaltet wurde, modernisiert werden: in der Wirtschafts- und Energiepolitik, in der Sozialpolitik, bei der Digitalisierung, beim Verkehr: die Liste ließe sich fortsetzen. Dort überall wollen wir dieses Land auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten und bekannte Defizite aufarbeiten. Das ist oft mühsam, aber aus meiner Sicht funktioniert es.
Ein Beispiel: Das 49 €-Ticket in digitaler Form ist sowohl für die Verkehrs- als auch die Digitalpolitik ein Quantensprung. So etwas haben wir in Jahrzehnten nicht hinbekommen und jetzt kommt es!
Da kann man immer sagen: es könnte mehr sein, es könnte besser sein, aber das ist oberflächlich. Natürlich überblicke ich nicht alle Politikfelder im Detail, aber in meinem Bereich, in der Wirtschaftspolitik, in der Verteidigungspolitik, bei Innovationen und Forschung, kann ich aus voller Überzeugung sagen: Es gibt in der Bundespolitik, vor allem bei CDU und CSU, nicht den Hauch einer grundsätzlichen Alternative zu dem, was wir tun. Immer nur mehr zu fordern, ist weder unter inhaltlichen Gesichtspunkten, noch unter dem Aspekt der Finanzierbarkeit eine Alternative.
Mein Fazit: Diese Koalition hat, mit Corona und dem Ukraine-Krieg, die schwierigsten Rahmenbedingungen einer Bundesregierung seit der deutschen Wiedervereinigung. Sie muss gleichzeitig unseren Platz in der Welt neu definieren und sehen, dass wir den Anschluss gegenüber anderen nicht verlieren. Das wird auch so bleiben, weil wir auf eine auf eine lange Zeit der wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Unsicherheit zulaufen. Unter diesen Rahmenbedingungen machen wir die Arbeit gut und ich freue mich darauf, die nächsten Jahre daran mit zu wirken.
Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüße!
Euer Joe