Covid-19 & Der Parlamentarismus

Stärkung der Demokratie

Die Bekämpfung der Corona-Pandemie stellt – neben den medizinischen und administra­tiven Fragen – auch eine Herausforderung für unser politisches System dar. Zur Bekäm­pfung der Corona-Pandemie wird drastisch in Freiheitsrechte der Bürger, aber auch von Unter­nehmen, Vereinen und der Zivilgesellschaft eingegriffen. Die im letzten halben Jahr verordneten Beschränkungen der Freiheitsrechte bedürfen aber nicht nur einer klaren inhaltlichen Begründung, sie müssen auch angemessen und nachvollziehbar sein. Dazu muss deutlich werden, wer zu was befugt ist.

Ob die Beschränkungen angesichts des Verlaufs der Infektionszahlen noch verschärft werden müssen, ist offen, aber aus jetziger Sicht wahrscheinlich. Nach meiner Ein­schätzung werden bestimmte Maßnahmen bis mindestens Mitte nächsten Jahres in einem heute noch nicht zu bestimmenden Umfang weiter gelten müssen. Dabei müssen wir aus den letzten Monaten lernen. Für das weitere Vorgehen sollten drei Leitlinien gelten:

  1. Der Föderalismus kommt in der Pandemie-Krise an seine Grenzen. Die Vielzahl der landes­unterschiedlichen Regelungen ist für die Bürger kaum noch nachvollziehbar. Sie ist inhaltlich kaum begründbar und – siehe Reisebeschränkungen aus Risikogebieten – teilweise nicht mehr vernünftig umsetzbar. Wir brauchen hier klare, bundeseinheitliche Regelungen.
  1. Wir müssen in längeren Zeiträumen denken. Die Kurzfristigkeit der Maßnahmen, etwa in der Unterstützung von Unternehmen, macht eine vernünftige Planung nahezu un­möglich. Sinnvoll wäre, die Bund-/Länder-Maßnahmen besser aufeinander abzu­stim­men und für einen Zeitraum bis mindestens 30. Juni 2021 fortzuschreiben. Dabei sollte es das Ziel sein, dass die Ländermaßnahmen die Programme des Bundes dort ergän­zen, wo eine genaue Kenntnis der lokalen Verhältnisse notwendig ist, etwa bei der Unterstützung von Hotellerie und Gastronomie.
  1. Deutschland ist eine parlamentarische Demokratie. Die politischen Grundlinien werden von unmittelbar gewählten Volksvertretern festgelegt. Die informellen Absprache-Runden zwischen der Bundeskanz­lerin und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten hat aber mittlerweile ein Ausmaß und eine Detailfreude erreicht, die die Gewichtungen in unserem Bundes­staat zu verschieben droht. Über die Grundlinien der Pandemie-Politik muss der Bundes­tag entscheiden.

Diese Fragen müssen insbesondere mit der anstehenden Verlängerung des Infektions­schutz­gesetzes über den 31. März 2021 hinaus geklärt werden. Hier darf es keine Generalermächtigung für den Bundesgesundheitsminister geben, über die weitere Beschränkung von Freiheitsrechten auf dem Verordnungswege ohne Beteiligung des Bundestages zu entscheiden. Der Bundestag ist wiederum in der Pflicht, schnell und entschlossen über notwendige Maßnahmen zu entscheiden. Wir haben im April und Mai dieses Jahres bewiesen, dass wir das auch können.